Im Vergleich zu Deutschland hat der französische Landwirtschaftsminister deutlich mehr Ansprechpartner in Verbandsfragen. Die Interessenvertretung der französischen Bauern ist pluralistisch organisiert und verfügt über einen bedeutenden Einfluss auf die Politik. Obwohl der Anteil der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren ständig abgenommen hat, liegt er in Frankreich immer noch weit über dem Anteil anderer westeuropäischer Länder. Die große Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges und die konsequente Interessenvertretung haben dazu geführt, dass die Anliegen der Bauern in Frankreich häufig von der Regierung erfüllt werden.
Die Ursache für die pluralistische Interessenorganisation liegt in politisch-ideologischen Divergenzen, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine zersplitterte landwirtschaftliche Interessenvertretung entstehen ließen. Neben einigen Verbänden mit regionaler Ausrichtung vertreten fünf frankreichweit organisierte Zusammenschlüsse die Interessen der Landwirte.
FNSEA (Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles)
Die Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles (FNSEA) ist die größte landwirtschaftliche Interessengruppe und der bei weitem wichtigste Verband. Er wurde 1947 gegründet und dominiert die anderen Verbände, da sich in der FNSEA rund zwei Drittel der französischen Landwirte organisieren. Eine Mitgliedschaft in der nationalen Organisation ist direkt über die Büros in den Departements möglich. Über diese dezentrale Akquirierung ist der Verband besonders für kleine und mittelgroße Agrarbetriebe interessant.
Zur Zeit verfügt die FNSEA nach eigenen Angaben über rund 212.000 Mitglieder und wird seit 2017 von Christiane Lambert geführt.
Die große Anzahl der gemeldeten Mitglieder beruht auf der Tatsache, dass die Bauern über die departementalen Strukturen der FNSEA direkt beitreten können. Die Politik des Verbandes ist als eher konservativ einzustufen und zielt auf den Erhalt der größeren Familienbetriebe.
Dominiert wird der Verband zum großen Teil von Großagrarieren in der Pariser Umgebung und im Norden Frankreichs, da sie über die mächtigen Produktfachverbände für Futterpflanzen und Getreide traditionell viel Druck ausüben können.
Zum Pariser Landwirtschaftsministerium unterhält der FNSEA sehr enge Beziehungen. Der enorme Einfluss des Verbandes auf die Politik führte dazu, dass Ministerium und FNSEA bereits mehrfach gemeinsam Konzertierungsmaßnahmen verfolgten. In eine Krise gerieten die Beziehungen nach der Regierungsübernahme der linken Koalition von François Mitterrand. Das Landwirtschaftsministerium versuchte die privilegierten Beziehungen zu dem größten Verband zugunsten der kleineren linken Verbände zu normalisieren. Die damalige Landwirtschaftsministerin Edith Cresson scheiterte jedoch mit ihrem Vorhaben und wurde bereits zwei Jahre nach Amtsantritt von Michel Rocard abgelöst. Während der Kohabitation 1986-1988 fand das besondere Verhältnis der bürgerlichen Regierung zu den Agrariern der FNSEA in der Berufung des FNSE-Präsidenten zum Landwirtschaftsminister seinen Ausdruck.
CNJA (Centre national des jeunes agriculteurs)
Der Jungbauernverband CNJA ist der zweitgrößte Agrarverband in Frankreich und aus dem FNSEA hervorgegangen. Die Jungbauern sind eng mit dem Mutterverband (FNSEA) verbunden. Der Verband ist aus der katholischen Laienbewegung hervorgegangen und rekrutiert einen Großteil seiner Mitglieder aus diesem Milieu. Das reformfreudige Centre bemüht sich um eine Modernisierung des Agrarsektors und tritt für eine sinnvollere Strukturpolitik ein.
Confédération paysanne
Die Konföderation wurde 1981 nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Mitterrand bei den Präsidentschaftswahlen als linke Abspaltung des CNJA gegründet und steht bis heute der Parti socialiste (PC) nahe.
MODEF (Mouvement de défense des exploitants familiaux)
Das Mouvement de défense des exploitants familiaux hat eine deutlich geringere Bedeutung als die den Agrarsektor dominierenden FNSEA und CNJA.
Politisch steht die 1959 nach dem Ausschluss einiger Departement-Gruppen aus der FNSEA gegründete Bewegung links mit kommunistischer Ausprägung. Da unter den Gründungmitgliedern viele Anhänger der Parti communiste (PC) waren, pflegt der Verband noch heute besondere Beziehungen zu den französischen Kommunisten.
FFA (Fédération française de l’agriculteur)
Die Föderation FFA wurde 1969 als Interessenverband der französischen Großagrarier aus dem Westen Frankreichs und dem Gebiet südlich der Loire gegründet.
Nationaler Zusammenschluß der Landwirtschaftskammern
Der Zusammenschluss der Landwirtschaftskammern (Assemblée permanente des chambres d’agriculture) wird von den großen Landwirtschaftsverbänden FNSEA und CNJA dominiert und häufig für deren Interessen instrumentalisiert.