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Der lange Schatten des Nicolas Sarkozy

Zum zweiten Mal in diesem Jahr wurde Frankreichs früherer Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Obwohl der 66-Jährige schon lange kein Amt mehr hat, ist sein Einfluss noch spürbar.

Gerade erst wurde Nicolas Sarkozy wieder um eine Einschätzung gebeten. Im Radiosender „Europe 1“ sprach eine Journalistin mit dem früheren Staatspräsidenten über den Zustand der politischen Kultur in Frankreich. Anlass war unter anderem der wachsende Rückhalt für den rechtsextremen Publizisten Éric Zemmour in der Bevölkerung. Der Bestseller-Autor, der gesetzlich regeln möchte, dass Kinder in Frankreich nur noch französische Vornamen bekommen dürfen, spielt mit der Idee einer Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Mit aktuell 13 Prozent sehen die Meinungsforscher Zemmour in einem ersten Wahlgang nur knapp hinter Marine Le Pen vom Rassemblement National (RN), die er mit seinem Programm sogar rechts überholt.

Für Nicolas Sarkozy ist Zemmour nicht der Grund für die Krise, „sondern das Symptom. Wenn die politisch Verantwortlichen doch überzeugende Ideen präsentieren würden für Themen, die man nicht mehr ignorieren kann! Ich sage ihnen: Die Migrationskrise hat noch nicht einmal begonnen“, redete sich Frankreichs Ex-Präsident in Rage.

Gescheitertes Comeback

Dass Nicolas Sarkozy diese wichtigen Fragen am liebsten noch einmal selbst anpacken würde, steht für Beobachter außer Frage. Die verpasste Wiederwahl 2012 nach nur einer Amtszeit im Elysée-Palast empfindet der heute 66-Jährige als Schmach. Ausgerechnet gegen den uncharismatischen Sozialisten Francois Hollande hatte er damals verloren.

Es ist diese gescheiterte Wahlkampagne, über die das Pariser Gericht nun ein Urteil gesprochen hat. Sarkozys Team hat demnach die gesetzlich definierte Obergrenze im Wahlkampf von 22,5 Millionen Euro ignoriert und insgesamt 42,8 Millionen in das Projekt Wiederwahl investiert. Um die Mehrausgaben zu vertuschen, wurde mit fiktiven Rechnungen gearbeitet. Zwar soll der wahlkämpfende Präsident damals das System nicht selbst geschaffen, aber mehrfach Warnhinweise von Buchhaltern ignoriert haben. „Er hat es als Kandidat unterlassen, die Kosten zu kontrollieren“, sagte die Vorsitzende Richterin Caroline Viguier in Paris. Sarkozy weist die Anschuldigungen zurück und will gegen das Urteil eines zwölfmonatigen Hausarrests Berufung einlegen.

Umstrittene Wahlkämpfe

In Berufung ist der frühere Präsident bereits im Frühjahr in einer anderen Sache gegangen. Im März wurde Sarkozy ebenfalls im Zusammenhang mit illegaler Wahlkampffinanzierung zu drei Jahren Haft verurteilt – zwei Jahre davon zur Bewährung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ex-Präsident versucht hat, einen Richter zu bestechen, um an vertrauliche Informationen über die Ermittlungen der Justiz gegen ihn zu gelangen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Name Nicolas Sarkozy in konservativen Kreisen noch als möglicher Joker für die kommenden Präsidentenwahlen im Frühjahr 2022 genannt – obwohl Sarkozy 2017 eine Rückkehr in die Politik öffentlich ausgeschlossen hatte. Zuvor war er bei den parteiinternen Vorwahlen für die Präsidentenwahlen nur auf Platz drei gelandet.

Dass der frühere Präsident nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate verurteilt wurde, dürfte das Ende aller denkbaren Planspiele für einen Neuanlauf an die Macht sein – auch wenn beide Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Zumal die französische Justiz die Aufarbeitung der Wahlkämpfe 2007 und 2012 noch nicht abgeschlossen hat. So soll Sarkozys UMP rund fünf Millionen Euro aus dem Umfeld des libyschen Diktators Muammar al-Ghadafi erhalten haben. Als erster ehemaliger französischer Präsident wurde Sarkozy 2014 in Polizeigewahrsam genommen.

Der Mann im Hintergrund

Der bislang letzte konservative Präsident Frankreichs musste in den vergangenen Jahren viel Zeit in die eigene Verteidigung vor Gericht investieren. Hinter den Kulissen übt Sarkozy, den viele Parteifreunde als Ikone der Konservativen betrachten, dennoch weiterhin Einfluss auf die Politik aus. Staatspräsident Emmanuel Macron tauscht sich nicht nur regelmäßig mit Sarkozy in vertraulichen Gesprächen aus, sondern hat auch Sarkozy-Vertraute mit herausgehobenen Posten versorgt.

Frankreichs Premierminister Jean Castex war einst Berater Sarkozys und später stellvertretender Generalsekretär des Elysée – auch der sehr präsente Innenminister Gérald Darmanin steht Sarkozy nahe. In der zwischenzeitlich zu „Les Républicains“ umbenannten Mitte-rechts-Partei UMP verdanken viele Politiker aus der aktuellen Führungsriege Sarkozy ihren politischen Aufstieg – sein Wort hat dort immer noch Gewicht. In den kommenden Wochen will die Partei, die ohne das einstige Zugpferd „Sarko“ deutlich an Kraft verloren hat, einen Präsidentschaftskandidaten küren. Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren wird Nicolas Sarkozy dabei nicht zur Auswahl stehen.

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