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Der Weg zur Einheitsschule Collège

Weiterführende Schulen für die ganze Bevölkerung sind eine vergleichsweise junge Errungenschaft in Frankreich. Bis weit in das vergangene Jahrhundert wurde lediglich eine kleine soziale und intellektuelle Minderheit zur Elite der Nation ausgebildet. Obwohl sich die Republik zu den Idealen der Revolution bekannte, praktizierte sie im Schulwesen eine sozialgesellschaftliche Trennung. Das gesamte Bildungswesen war traditionell vertikal gegliedert – den unteren gesellschaftlichen Schichten standen in der Realität lediglich die Primarschulen offen. Nur wenige Schüler erlangten die Hochschulreife. Drei große Hochschulreformen in den 1960er und 70er Jahren haben diesen Zustand grundlegend verändert.

Wie notwendig Veränderungen im System sind, wurde bereits nach dem Ersten Weltkrieg deutlich. Die Elite das Gefühl hatte den Eindruck gewonnen, dass das Deutsche Reich dem Nachbarn wirtschaftlich und gesellschaftlich überlegen war.

Mühsamer Weg zur „école unique“

Unter dem Titel „L’Université nouvelle“ veröffentlichte eine Gruppe Intellektueller 1918 ein Manifest, das sich mit der Erneuerung des Bildungswesens beschäftigte und die Einheitsschule „école unique“ propagierte. Wenngleich die wesenlichen Gedanken nicht umgesetzt wurden, erreichte man doch kleine Fortschritte. Seit dieser Zeit ist der Übergang von dem Primar- zum Sekundarbereich gesetzlich geregelt. Darüber hinaus wurde die Schulgeldpflicht für den Sekundarbereich in den 1930er Jahren abgeschafft.

Mit der Einführung von Stipendien sollte Kindern aus sozial schwachen Schichten die Möglichkeit gegeben werden, die hohen Sachmittelaufwendungen der Sekundarschulen finanzieren zu können. Während der Volksfront wurde 1937 ein Gesetz erlassen, nach welchem die Elementarklassen der Sekundarschulen zu denen der Primarschulen zählten. Im Zweiten Weltkrieges – unter der Vichy-Regierung – wurde die Eingliederung der höheren Primarschulen (écoles primaires supérieures) in die Sekundarschulen (lycées und collèges modernes ou classiques) verfügt. Die Folge: eine weitere Demokratisierung des Schulwesens.

Reformen unter de Gaulle

Obwohl es auch in der IV. Republik an Vorschlägen für eine Reform des Bildungswesen nicht mangelte, blieb es bis 1958 bei der vertikalen Gliederung zwischen Primar- und Sekundarbereich. Dennoch war das Schulwesen großen Veränderungen unterworfen, die als Folgen der Reformen in den 1930er und 40er Jahren das gesamte Bildungssystem vor große Probleme stellte.Durch die Lockerungen der Zugangsbeschränkungen konnten immer mehr Schüler auf die Sekundarschulen gehen und dort einen Abschluss erlangen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Realitäten machten darüber hinaus ein horizontal ausgeformtes Schulwesen erforderlich.

Eine erste Reform – nach dem Vorbild der école unique – setzte der damalige Bildungsminister Jean Berthoin 1959 durch. Die Schulpflicht wurde auf 16 Jahre verlängert und Volksschul- bzw. Primarabschlüsse wurden reformiert. Je nach Leistung auf der Ecole Primaire durften die Schüler nun auf ein Gymnasium (lycée), den verlängerten Abschluss der école primaire, oder auf das berufsvorbereitendecollège d’enseignement général. Nach einer zweijährigen Orientierungsstufe erfolgte eine erneute Differenzierung.

Eine weitere Liberalisierung des Bildungszugangs erzielte die Reform Fouchet aus dem Jahre 1963, die eine dreigliedrige horizontale Struktur des Schulwesens zur Folge hatte. Die Orientierungsstufe wurde auf vier Jahre verlängert. Dafür wurden erstmals eigenständige Schulen, die collèges d’enseignement secondaire (C.E.S.), eingerichtet. In den Collèges gab es eine Verzweigung, die den Schülern sowohl die Möglichkeiten eines einfachen Volksschulabschlusses eröffnete als auch den Weg zu einer berufsorientierten Ausbildung oder den Besuch eines Lycée.

Die Differenzierung in den Collèges wurde indes unter Bildungsminister René Haby 1975 wieder abgeschafft und an dessen Stelle ein einheitliches Collège gestellt. Diese Gesamtschule macht, nach einigen kleineren Veränderungen in der Folgezeit, noch heute das Wesen des modernen Schulsystems Frankreichs aus. Während der vierjährigen Schulzeit auf dem Collège besuchen die Schüler für zwei Jahre eine Beobachtungsstufe und wechseln für ebenfalls zwei Jahre in die Orientierungsstufe.

Keine grundlegenden Änderungen gab es indes bei den harten Auswahlverfahren. Noch heute setzt das Bildungssystem Frankreichs auf Selektion und die gezielte Förderung von Eliten.

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