Auf der Verfassungsebene machte der Erste Weltkrieg Änderungen notwendig, damit Entscheidungen in diesen Notzeiten schneller und unkomplizierter gefällt werden konnten. Durch eine Erweiterung der Befugnisse des Kabinetts und des Ministerpräsidenten (Président du Conseil) wurde die Exekutive nach Kriegsbeginn deutlich gestärkt. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde der Ministerpräsident de facto Regierungschef.
In der Gesetzgebungs- und Verordnungspraxis gab es ebenfalls eine fundamentale Änderung: Die Regierung konnte nunmehr Dekrete (décret-lois) mit Gesetzeskraft erlassen, ohne die Zustimmung des Parlamentes einholen zu müssen. Da sie sich aus Sicht der Führung bewährt hatten, blieben die Verfassungsänderungen auch nach dem Krieg in Kraft. Besonders in der zweiten Hälfte der 20er Jahre nach 1934 machten immer mehr Regierungen von ihrem Recht Gebrauch, mit Dekreten zu regieren. Einer Entmachtung des Parlamentes kam diese Regelung aber dennoch nicht gleich, da die Regierung aufgrund des Parlamentsrechts zum Sturz der Regierung auf das Wohlwollen der Kammer angewiesen war.
„Bloc national“ löst Clemenceau ab
Nach dem Rücktritt von Regierungschef Georges Clemenceau stellten Vertreter des eher konservativen Parteienbündnisses „Bloc national“, das im November 1919 bei der Listenwahl 338 von 626 Abgeordnetenmandate für sich gewinnen konnte, die Regierung und den Staatspräsidenten. (Paul Deschanel, 1920, Alexandre Millerand, 1920-1924). Mehrere konservative Kabinette konnten sich angesichts der labilen Mehrparteienkonstellationen jedoch nicht über lange Zeit an der Macht halten.
Erst Raymond Poincaré vermochte es, von Januar 1922 bis Mai 1924 eine relative stabile Regierung zu führen. Poincaré musste sich vor allem um den Wiederaufbau des vom Krieg schwer getroffenen Frankreich kümmern, geriet dabei jedoch in Konflikt mit der katholischen Rechten.
Gegenüber dem Deutschen Reich schlug Poincaré einen harten Kurs ein, indem er die vollständige Bezahlung der Reparationen verlangte. Als das Reich 1923 die Zahlungen nicht mehr in voller Höhe aufbrachte, ließ er als Gegenleistung von französischen Truppen das Ruhrgebiet besetzen.