Die landwirtschaftlichen Verbände und ihre Mitglieder waren in Frankreich immer wieder in der Lage, viel größeren Druck auf die Regierung auszuüben als ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zukam. So erreichten sie in den 1990er Jahren, dass die Regierung aufgrund massiver Proteste der Bauern mehrere Monate lang den GATT-Kompromiss über die Ausweitung des freien Welthandels auf die Landwirtschaft blockierte.
Die Bauernproteste in Form von Straßenblockaden finden zudem häufig Unterstützung bei der Bevölkerung. Immer wieder kommt es in Frankreich aber auch zu gewaltsamen Protesten der Landwirte. Im Februar 1999 wurden das Büro der Umweltministerin von aufgebrachten Bauern verwüstet und der Eingang der Elite-Hochschule ENA zugemauert. Anschließend setzten einige Landwirte bei Auseinandersetzungen mit der Polizei Pflastersteine und andere Wurfgeschosse ein.
Diese Sonderstellung der Landwirtschaft hängt stark mit der Wirtschaftsgeschichte des Landes zusammen. Frankreich hat sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg von einem agrarisch geprägten Land zu einer Industrienation entwickelt. Aber auch heute noch sind weite Teile des Landes ländlich geprägt. Die große Mehrheit der Politiker pflegt zudem ihre familiäre Verwurzelung im ländlichen Raum. Schließlich trägt auch das Wahlsystem mit seiner Überbetonung der ländlichen Wahlkreise dazu bei, dass landwirtschaftlichen Themen eine große Bedeutung zukommt.
Agrarpolitik in Brüssel
Da die wichtigen Agrarentscheidungen fast ausschließlich auf EU-Ebene getroffen werden, wird der Einfluss der Landwirte auch bei europäischen Gipfeln deutlich. Mehrfach haben französische Präsidenten Beschlüsse blockiert, weil sie Agrarkürzungen nicht mittragen wollten. Das gleiche gilt auch für Pläne, die Agrarsubventionen wieder in nationale Verantwortung zu geben. Paris lehnt dies vehement ab.
Kürzungen in der Landwirtschaft können in Frankreich zu einem politischen Flächenbrand werden. Auch nach einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung und dem Aufbau erfolgreicher Industrie- und Dienstleistungsunternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Land in vielen Regionen noch stark agrarisch geprägt. Den mühsamen Strukturwandel in diesen Regionen kann Frankreich aber nicht alleine finanzieren, sondern nur im Verbund mit den anderen EU-Partnern. Das ist auch ein Grund dafür, dass sich Frankreich in den 1960er Jahren besonders für die Errichtung eines Gemeinsamen Agrarmarktes und den Aufbau eines Subventionssystems stark gemacht hat. Neben Subventionsgeldern erhoffte sich das Land mit der größten landwirtschaftlichen Produktion natürlich auch neue Absatzmärkte.
Durch die Reform der EU-Agrarpolitik hat sich der Druck auf die französische Landwirtschaft weiter verschärft. Der Protest der Bauern richtet sich vor allem auf den Angriff der aus ihrer Sicht bewährten Strukturen der EU-Landwirtschaft. Den Reformvorhaben der EU, bei denen ökologische Auflagen vorgesehen sind, steht ein Teil der Bauern feindlich gegenüber.