Am 22. Juni 1940 schloss Marschall Pétain im historischen Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne an dem Ort den Waffenstillstand, an dem auch der Waffenstillstand des Ersten Weltkrieges unterschrieben worden war – eine Demütigung für den Kämpfer des Ersten Weltkrieges und sein Land. Die Bedingungen des Waffenstillstands waren hart: Das Land wurde, abgesehen von einigen kleineren Gebieten mit besonderem Status, in zwei Zonen aufgeteilt. Der größte Teil Frankreichs inklusive der Hauptstadt Paris unterstand direkt dem deutschen Militärbefehlshaber. Das Elsass und Lothringen wurden faktisch vom Deutschen Reich annektiert.
Südlich der Linie Genf-Dole-Chalos-sur-Saône-Moulins-Bourges-Langon-Mont de Marson entstand die sogenannte freie Zone, die von der in den Kurort Vichy umgezogenen Regierung Pétain kontrolliert werden durfte.
Ein halbes Jahr nach den überarbeiteten Verfassungstexten 1940 ließ die Regierung in Vichy am 22. Januar 1941 den Nationalrat (Conseil national) schaffen, dem 188 vom Staatschef ernannte Mitglieder angehörten. Dieses unter anderem mit 68 Parlamentariern mit noch gültigem Mandat gebildete Gremium sollte ausschließlich beratende Funktion haben. Angezogen von den scheinbaren Erfolgen faschistischer Systeme entschied sich die Vichy-Regierung, die Franzosen zu einer an das deutsche Vorbild angelehnten Volksgemeinschaft zu machen. Ähnlich wie im faschistischen Italien wurde für eine korporative Arbeitsorganisation eine Charte de Travail erlassen. Bauern, die sich in einer Corporation paysanne zusammenschlossen, wurde eine bevorzugte Behandlung zuteil.
Marschall Pétain und die Bildung des État Français
Auf Drängen von Petain und Laval wurden beide Parlamentskammern als Nationalversammlung (Assemblée nationale) zusammengerufen, um die Verfassung zu ändern. Von den teilnehmenden Parlamentariern (200 konnten an den Abstimmungen nicht teilnehmen) stimmten 569 für die Veränderungen, 80 dagegen und 17 enthielten sich der Stimme. Damit war das neue Verfassungsgesetz (Loi constitutionelle) als neues Grundgesetz am 10. Juli 1940 verabschiedet worden. In der veränderten Verfassung wurden alle Regierungsbefugnisse der Autorität Petains übertragen. Die «neue Republik» sollte, so war es weiter vorgesehen, eine neue Verfassung ausarbeiten, die die Garantie der Rechte der Arbeit, der Familie und des Vaterlandes garantieren sollte. Am gleichen Tag übertrug das Parlament Marschall Pétain die unumschränkte Gewalt über das unbesetzte Frankreich.
In den folgenden Tagen erließ Petain vier Verfassungsakte (actes constitutionelles), die zum einen seine Ernennung zum Chef des französischen Staates (Chef de L’État Français) und zum anderen die Verleihung der vollen exekutiven und legislativen Gewalt an diesen Staatschef zum Inhalt hatten. Damit waren nunmehr laut Verfassung alle Minister nur ihm verantwortlich. Philippe Petain baute, gestützt auf das Mandat des Parlaments und seinen Ministerpräsidenten Pierre Laval, sein autoritäres Regime systematisch weiter aus.
Zusammenarbeit mit Hitler
Die ersten Absprachen über eine Kooperation zwischen Vichy und Nazi-Deutschland fanden bereits kurz nach der Bildung des Vichy-Staates statt. Bei einem Treffen mit Adolf Hitler sagte Petain im Oktober 1940 dem Reichskanzler die Zusammenarbeit zu. Nachdem der stellvertretende Ministerpräsident Laval im April 1942 auf deutschen Druck zum Regierungschef ernannt worden war, verstärkte sich noch die Tendenz, mit dem Deutschen Reich zu kooperieren. Dabei beschränkte sich die Zusammenarbeit nicht nur auf die Bildung einer Légion tricolore und die Entsendung französischer Arbeiter nach Deutschland. Die französischen Behörden kooperierten auch bei deutschen Polizeirazzien gegen Juden in Frankreich und halfen der Gestapo bei der Informationsbeschaffung. Einen positiven Effekt auf deutscher Seite konnte diese Anbiederung der französischen Führung indes nicht schaffen. Im Gegenteil: Nach der Landung der Alliierten in Nordafrika besetzten am 11. September 1942 deutsche Truppen auch noch die bislang unbesetzte Zone und brachten damit ganz Frankreich unter deutsche Kontrolle. Laval und Petain wurden trotz ihres Willens zur Zusammenarbeit von der deutschen Führung immer mehr in den Hintergrund gestellt.
Vichy, Pétain und die Bevölkerung
Die Hinwendung zum Autoritären, die durchaus auch bei der Bevölkerung auf Zuspruch gestoßen war, ist nur durch die Erfahrungen mit der Dritten Republik verständlich. Der unkontrollierbare Parlamentarismus, Liberalismus und das Freimaurertum hatten aus Sicht der Bevölkerung die Republik zu einem chaotischen Gebilde verkommen lassen. Den scheinbar «überholten» Ideen aus der Zeit der Dritten Republik setzte Petain sein Konzept einer Verherrlichung des Führertums, das er durch den Kult um seine Person immer weiter anheizte, entgegen. Der politische Personalismus sollte an die Stelle der alten Autorität durch Abstimmungsmehrheiten treten.