Im kollektiven Gedächtnis der Franzosen spielt der Erste Weltkrieg eine viel bedeutendere Rolle als der ihm nachfolgende zweite. Die Schlachtfelder an der Marne, der Somme oder in Verdun stehen heute noch für wichtige Kriegsentscheidung. Das „Wunder an der Marne“ ist jedem Franzosen ein Begriff. Für Frankreich galt es im Ersten Weltkrieg, der zum großen Teil auf französischem Boden stattfand, die eigene Nation zu retten. Dass dies nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang, ist den Franzosen bis heute bewusst. Selbst in den kleinsten Ortschaften erinnern Denkmäler und Erinnerungstafeln an den hohen Blutzoll, den das Land zwischen 1914 und 1918 bezahlen musste.
Zu den Helden des Ersten Weltkriegs gehört mit Marschall Philippe Pétain ein Militär, der auch während des Zweiten Weltkriegs eine zentrale Rolle für Frankreich spielte. Pétain organisierte 1916 erfolgreich die Verteidigung von Verdun und rief mit seinen charismatischen Tagesbefehlen die Nation zur Einheit auf. Dass Frankreich zusammen mit den Alliierten den Krieg gewinnen konnte, war keineswegs absehbar. Am Tage des Ausbruchs des Krieges galt die Republik als zerstritten und aufgezehrt durch viele Krisen und mangelndes Vertrauen der Bevölkerung in die Politik.
Vorgeschichte
Nur im Wissen seiner Vorgeschichte lässt sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erklären. Schon die Jahre vor dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger waren auf beiden Seiten von der Bereitschaft geprägt, einen Krieg zur Durchsetzung nationaler Interessen bzw. des eigenen Imperialismus in Kauf zu nehmen.
In dieser von der Erwartung eines bevorstehenden Krieges gekennzeichneten Lage reichte nach dem Balkankrieg 1912/13 die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo aus, um das Pulverfass zu entzünden.
Kriegsverlauf
Wenige Tage nach dem Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, das Deutsche Reich sah, nicht ohne Genugtuung, den Bündnisfall gekommen und erklärte am 3. August 1914 Rußland und Frankreich den Krieg. Zu den beiden Großmächten standen noch Großbritannien, das mit Serbein verbündet war, Belgien und Japan. Zum Ende des Krieges, den die Franzosen noch heute „den großen Krieg“, nennen, traten Portugal (1916), Rumänien sowie die Vereinigten Staaten von Amerika (1917), Griechenland und die Mehrzahl der lateinamerikanischen Staaten der Koalition bei.
Die deutsche Armee startete ihren „Wettlauf zum Meer“ mit der Verletzung der belgischen Neutralität, wurde indes von den Verteidigern schon im September (6.-9.9.1914) in der Marneschlacht vorerst gestoppt. Mit den Marschällen Foch, Gallieni und Joffre erwarben sich drei französische Offiziere besondere militärische Verdienste.
Im Anschluß an diese verlustreiche Schlacht erstarrte die deutsch-französische Front gegen Ende des Jahres 1914 für beinahe vier Jahre in einem Mensch und Material verschlingenden Graben- und Stellungskrieg, der nur von extrem blutigen Großoffensivien wie den Schlachten an der Somme und um Verdun unterbrochen wurde.
Bis 1917 präsentierte sich Frankreich als effiziente militärische Großmacht, die den brutalen Waffengang relativ gut zu verkraften schien. Dies hatte auch damit zu tun, dass sich die Nation hinter ihrer politischen Führung einig versammelte.
Unmittelbar nach Ausbruch der Kämpfe legten Regierung und Sozialisten ihre Auseinandersetzungen bei und verbanden sich in der Union sacrée zur gemeinsamen Verteidigung der Nation. Unter dem Eindruck militärischer Niederlagen in Schlachten mehrten sich besonders bei Anhängern und Mitgliedern der sozialistischen Partei im Jahre 1917 die Stimmen, die die Aufnahme von Friedensverhandlungen verlangten. Parallel zur umkippenden Stimmung bei einigen Parteien kam es bei der Zivilbevölkerung, die nicht mehr an einen Sieg zu glauben vermochte, zu Streiks und bei der Armee zu Meutereien.
Dass es in dieser Phase nicht zu weiteren Auflösungserscheinungen in der Armee und einer Staatskrise kam, war der militärischen Führung unter den Generälen Philippe Pétain und Ferdinand Foch und auf politischer Ebene dem mit eiserner Hand regierenden «Tiger» Clemenceau zu verdanken. Sie brachten das Kunststück fertig, die Republik aus der Krise zu führen und letztlich im Verbund mit den Alliierten den Krieg gegen Deutschland siegreich zu beenden.
Bilanz
Am Ende des Krieges waren auf französischer Seite alles Ressourcen erschöpft. Allein 1.390.000 Gefallene hatte die Republik zu beklagen. Doch hatte sie es unter dem Einsatz der letzten Kräfte geschafft, den Gegner zurückzuschlagen. Die euphorische Stimmung zu Kriegsbeginn war freilich verschwunden.