15.8 C
Paris
StartGeschichte19. JahrhundertNapoleon III. als beliebter Reformer

Napoleon III. als beliebter Reformer

Obwohl sich Napoleon mit einem Staatsstreich eigenmächtig die Amtszeit verlängert und das Parlament entmachtet hatte, war der Potentat bei den Franzosen überaus populär. Bei seinen Reisen durch die Provinzen wurde er immer von den Massen umjubelt. Als er in Bordeaux den nächsten strategisch geschickt geplanten Schachzug mit den Worten“«Frankreich scheint zum Empire zurückkehren zu wolle“», verkündete, reagierte die Bevölkerung begeistert. Getragen von dieser Unterstützung wandte sich Napoleon an den für Verfassungsänderungen zuständigen Senat. Am 7. November 1852 formte dieser die Verfassung um und ersetzte das Präsidentenamt durch das Kaisertum.

Artikel 1:
Louis-Napoléon Bonaparte ist Kaiser der Franzosen unter dem Namen Napoleon III.

Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, daß sich Louis-Napoleon unter dem Namen Napoleon III. zum Kaiser krönen ließ. Der Neffe wollte mit dieser Wahl bewußt die Kontinuität von Napoleon I.über dessen Sohn Napoleon II. (hat nie regiert) zu ihm verdeutlichen. Die Kaiserwürde Napoleons III. war erblich angelegt und sollte in männlicher Folge und Primogeniturordnung erfolgen. Ausdrücklich gestattet war es aber, durch Adoption einen Nachfolger aus der Familie Bonaparte zu bestimmen.

In einem weiteren Plebiszit ließ sich der designierte Kaiser im November 1852 die Umwandlung der Zweiten Republik in das Zweite Kaiserreich (Deuxième Empire) bestätigen und sich selbst am 2. Dezember 1852 als Napoleon III. (1852-1870) zum Kaiser der Franzosen ausrufen.

Auch in diesem Fall bestätigte die wahlberechtigte Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit (7,8 Millionen Ja-Stimmen; 250.000 Nein-Stimmen) das Vorhaben des charismatischen Herrschers.

Zweites Kaiserreich

Angespornt durch diesen überwältigenden Zuspruch baute Napoleon III. seine Herrschaft noch weiter aus: Obwohl die Verfassung das allgemeine Wahlrecht anerkannte, blieb die Herrschaft in dem Zeitraum von 1852 bis 1860 autoritär und diktatorisch. Die auch im Zweiten Kaiserreich weiterhin aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Parlamente konnten die Regierung nicht mehr wirksam kontrollieren. Als weiteres Mittel seines Herrschaftsausbaus griff der Kaiser auf das Mittel der «aktiven Wahlgeographie» zurück: Er veränderte die Wahlkreise nach seinen Interessen und führte die sogenannte «offizielle Kandidatur» ein. Bei der «offiziellen Kandidatur» wurde den von Paris eingesetzten Präfekten die Aufgabe übertragen, regimetreue Kandidaten für die Wahl zur Zweiten Kammer auszuwählen, denen wiederum viele Vorteile gegenüber ihren Mitbewerben eingeräumt wurden.

Der Polizeiapparat tat mit seiner politischen Polizei ein übriges, um die Opposition zu unterdrücken und das Volk zu kontrollieren. Sein antiparlamentarischer und autoritärer Kurs fand dabei nicht nur die Unterstützung der konservativen und monarchistischen Kreise, sondern auch viele Anhänger in der Kirche, Armee und bei den unteren Schichten. Die Unterstützung der Kirchen erhielt Napoleon noch durch ein Vermächtnis der Großen Revolution 1789: Seit dieser Zeit besaßen die Kirchen kein Eigentum mehr und verloren dadurch ihre Unabhängigkeit. Um aber weiter praktizieren zu können, waren viele Priester, Pastoren und Rabbiner zu vom Staat abhängigen Beamten geworden.

Justiz, Wirtschaft und Innere Sicherheit

Die Justiz sicherte die Herrschaft des autoritären Führers zusätzlich ab. Bei der breiten Bevölkerung half Napoleon vor allem die Angst vor neuen sozialistischen Unruhen bei der Akzeptanz der autoritären Maßnahmen seines Regimes. Pressezensur und Maßnahmen gegen politische Versammlungen halfen dem Kaiser, die öffentliche Meinung zu kontrollieren und seine plebiszitäre Diktatur zu «perfektionieren».

Louis-Napoleon verließ sich indes nicht ganz auf seine Strategie von Einschüchterung und Kontrolle. Aus der Zeit der Zweiten Republik hatte er gelernt, daß er die Arbeiterschaft ruhig stellen mußte. Dies gelang durch umfangreiche Bauprogramme, die die großzügige Neugestaltung der Hauptstadt zur Folge hatten. Unter Napoleons Städteplaner Baron Haussmannn bekam Paris das architektonische Gesicht, das die Stadt noch heute prägt. Die vielen Insignien «N» auf Brücken, Palästen und Häusern verweisen daher nicht auf den berühmten Kaiser Napoleon I., sondern auf seinen städtebaulich ambitionierten Neffen.

Gestützt durch die umfangreichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und eine allgemeine Erholung der Konjunktur, florierte die französische Wirtschaft. Unter Napoleon III. wurde Frankreich zu einer der führenden Industrienationen auf der ganzen Welt.

Ausdruck des neuen Selbstbewußtseins und des ökonomischen Erfolgs waren die beiden Weltausstellungen in der Seine-Metropole 1855 und 1867. Die letzte Weltausstellung fiel in die liberale Zeit des Regimes. In den 60er Jahren wurde diese Phase unter dem Eindruck der gefestigten Herrschaft Napoleons eingeleitet. In diesen Jahren fand auch unter dem Eindruck außenpolitischer Mißerfolge eine Entwicklung hin zu einem parlamentarischen System statt, die Pressezensur wurde zurückgefahren und die Öffentlichkeit der Debatte wiederhergestellt. Diese liberale Phase des Regimes hatte zur Folge, daß sich die Opposition recht gut entfalten konnte und der Kaiser im Zuge dieser Entwicklung zu weiteren Zugeständnissen gedrängt werden konnte. Ende der 60er Jahre sah sich Napoleon gezwungen, sein Regime in ein liberales Kaisertum (Empire libérale) umzuwandeln. Nach dem Wahlsieg der Opposition 1870 ernannte er schließlich sogar ein liberales Reformkabinett. Im Januar 1870 beauftragte der Kaiser den Führer der Dritten Partei (tiers-parti), Emile Olliver (1825-1913) mit der Regierungsbildung. Alle Minister der Regierung gehörten nun der Kammer an, die Regierung wurde von der Mehrheit getragen.

Am 20. April 1870 erhielt Napoleon noch einmal in einem Plebiszit eine herausragende Bestätigung durch das Volk, das von dem herannahenden Krieg gegen Preußen und die süddeutschen Staaten nichts ahnte.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein