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Republik: zweiter Versuch

Für die Opposition war nach dem Rücktritt von „Bürgerkönig“ Louis Philippes der Weg zur Bildung einer provisorischen Regierung frei. Noch am Abend des 24. Februar 1848 wurde die Zweite Französische Republik ausgerufen. Chef der provisorischen Regierung wurde Alphonse de Lamartine, der auch Jean Joseph Louis Blanc in die Regierung aufnahm. Neben den Sozialisten wurden aber auch Republikaner verschiedener Couleur in die Regierung aufgenommen, was ihre Legitimation verstärkte. Unterstützung fand de Lamartine sogar von Seiten der katholischen Kirche, die unter der kirchenkritischen Haltung des Bürgertums während der Julimonarchie besonders zu leiden hatte.

Provisorische Regierung

Die Politik der provisorischen Regierung orientierte sich mit ihrem sozialistisch angehauchten Kurs an den Menschen, denen sie die Macht verdankte. Die Regierung proklamierte ein weitreichendes Programm zur Arbeitszeitverkürzung und zur Schaffung einer Sozialhilfe. Bei den Sozialmaßnahmen wurde die Regierung ganz im Sinne der Revolution von 1789 von einer Vertretung der Arbeiterschaft unter der Leitung von Louis Blanc unterstützt. Diese Vertretung setzte sich mit der Idee durch, in Paris Nationalwerkstätten für 100.000 Arbeitslose zu errichten. Einen durchgreifenden Erfolg hatten diese Maßnahmen indes nicht – die Wirtschaft stagnierte, und die Zahl der Arbeitslosen stieg weiter an. Weil sich im Zuge dieser Entwicklung natürlich auch die Staatseinnahmen verringerten, sah sich die Regierung zu einer inflatorischen Politik gezwungen. Mit dem Druck von Banknoten und der Erhöhung der Steuern sollte das Defizit wieder aufgefangen werden. In der Realität trat aber genau das Gegenteil ein. Das die Wirtschaft tragende Bürgertum war jetzt noch unsicherer geworden und fuhr die Investitionen weiter zurück. Die Spirale der Unzufriedenheit setzte sich weiter fort.

Arbeit an einer Verfassung und Juniaufstand

Aus den ersten allgemeinen und gleichen Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung am 23. April 1848 gingen die gemäßigten bürgerlichen Republikaner als Sieger hervor. Bei diesen Wahlen waren nun 9,4 Millionen Männer wahlberechtigt, da das frühere Zensuswahlrecht abgeschafft worden war. Mit einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent machten auch 7,8 Millionen von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Die gemäßigten Republikaner erhielten mit rund 500 von 880 Mandaten nicht nur die Mehrheit, sondern rund 400 Mandate mehr als Demokraten und Sozialisten zusammen (rund 90 Mandate). Die Monarchisten konnten sich mit 290 Mandaten noch gut behaupten.

Nach der Wahl und der Zusammensetzung der Constituante löste sich die provisorische Regierung auf. Ihre Exekutivgewalt wurde einer Kommission übertragen, die aufgrund ihrer Politik schnell in Gegensatz zu den Arbeitern stand. Am 15. Mai demonstrierten sie erneut und konnten sogar ins Parlamentsgebäude eindringen. Die Lage verschlechterte sich weiter, als die Kommission am 21. Juni beschloß, die soeben errichteten Nationalwerkstätten wieder zu schließen. Die in den Werkstätten konzentrierten Arbeitermassen reagierten mit einem Aufstand, der soweit zu eskalieren drohte, daß die Mehrheit der Constituante Kriegsminister Louis Eugene de Cavaignac (1802-1857) außerordentliche Vollmachten übertrug. Dieser reagierte mit der Beorderung von 45.000 Soldaten nach Paris und einer blutigen Unterdrückung der Straßenschlachten, die vom 23. bis 26. Juni die Hauptstadt erschütterten. Das «blutigste Revolutionsereignis des Jahrhunderts» forderte auf beiden Seiten ca. 3000 Tote und 5000 Verletzte.

Bis zur Wahl des Präsidenten der Republik konnte der Kriegsminister seine diktatorischen Vollmachten weiter ausüben. Trotz der siegreichen Niederschlagung der «roten Gefahr» stand er vor einem großen Problem: Durch die Ereignisse war eine tiefe Kluft zwischen dem Bürgertum und der Arbeiterschaft entstanden, der die weitere Entwicklung noch beeinflussen sollte.

Verfassung für die II. Republik

Die Verfassungsgebende Versammlung führte nach den Unruhen ihre Arbeit an der neuen Verfassung fort und legte ihr Ergebnis am 21. November 1848 vor. Die Verfassung sah 750 direkt gewählte Deputierte vor, die von allen männlichen Franzosen über 21 Jahren in geheimer Wahl bestimmt werden sollten. Neben den Abgeordneten durfte die männliche Bevölkerung auch den Präsidenten der Republik für eine vierjährige einmalige Amtszeit direkt wählen. Problematisch wurde die Verfassung für den Fall unüberbrückbarer Gegensätze zwischen Präsident und Kammer. Der Präsident war auf der einen Seite nicht befugt, die Kammer aufzulösen; die Kammer auf der anderen Seite konnte aber auch den Präsidenten nicht absetzen. Eine Auseinandersetzung zwischen Exekutive und Legislative mußte aus diesem Grund zu einer Staatskrise bzw. sogar einem Staatsstreich führen.

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